Die moderierten Gesprächsgruppen für Aussteiger*innen aus destruktiven Gruppen befinden sich seit 2018 in der Trägerschaft von iuvenes e. V. Ende 2016 waren sie von Gloriett Kargl als Selbsthilfegruppe initiiert worden. Rasch zeigte sich, dass Selbsthilfegruppenkonzepte für Menschen, die in ihrem Leben höchst destruktiven Gruppendynamiken ausgesetzt waren, nur sehr bedingt greifen. Mit dem Übergang in die Trägerschaft von iuvenes e. V. folgte eine konzeptionelle Nachsteuerung. Aus der Selbsthilfegruppe wurden moderierte Gesprächsgruppen, flankiert mit Einzelberatungen nach den Bedarfen der Teilnehmer.
Mitte 2018 startete die moderierte Gesprächsgruppe mit zwei regelmäßigen Teilnehmern, die Zahl wuchs allerdings rapide. Aufgrund der zahlreichen Anfragen auch aus dem gesamten Bundesgebiet führten wir im November 2019 ein zweitägiges Aussteigertreffen durch. Mit Walter Krappatsch (artikel-4.de) und Dieter Rohmann (kulte.de) bereicherten zwei in diesem Arbeitsfeld ausgesprochen erfahrene Therapeuten die Gespräche über die biographischen Erfahrungen unserer Teilnehmer*innen.
Mit dem ersten Lockdown im März 2020 stand die Gruppenarbeit zur Disposition. Kann es angesichts der äußerst heiklen Biographien und ihrer Themen gelingen, die Präsenztreffen in virtuelle Formate zu überführen? Und wie können und müssen virtuelle Treffen gestaltet werden? Angesichts der Belastungen unserer Teilnehmer*innen, beschlossen wir, das Wagnis einzugehen und das Angebot zunächst exklusiv für jene Menschen virtuell weiterzuführen, die wir bereits persönlich kennengelernt hatten. Weil die ersten Erfahrungen mit dem Format ausgesprochen positiv ausfielen, führten wir im Juni ein zweitägiges Online-Seminar mit Dieter Rohmann durch, um das bereits die Teilnehmer*innen im Rahmen einer Veranstaltung 2019 gebeten hatten.
Weil die moderierten Gesprächsgruppen im ersten Halbjahr 2020 zahlreiche Neuanfragen erreicht hatten, öffneten wir im Spätsommer die Gruppe wieder für Neuteilnehmer*innen. Nunmehr bitten wir allerdings um ein persönliches Erstgespräch, um die Menschen kennenzulernen, die sich an uns wenden. Die Nachfragen stiegen rasant. Heute stehen wir in regelmäßigem Kontakt zu rund 40 Personen (Stand: Mai 2021).
Die Pandemie erhöht den Leidensdruck für Betroffene erheblich. Vereinsamung und teils massive psychosoziale Problemlagen haben sich seit August 2020 deutlich verschärft. An uns wandten sich zunehmend Menschen in akuten depressiven Phasen oder mit anderen schwerwiegenden psychischen Erkrankungen. Immer wiederkehrendes Thema war die Frage nach der Therapeut*innensuche oder auch die Frage danach, wie man in laufenden Therapien Verständnis bei den Therapeut*innen für die meist dramatischen biographischen Verwerfungen wecken kann, die Sozialisationen und Aufenthalte in der destruktiven Gruppe mit sich bringen. Andere erbaten Rat bei der Gestaltung ihres Alltags, auch aus Furcht, vollends sozial ins Abseits zu geraten. Die Einsamkeit des Lockdowns aktualisierte für nicht wenige Ratsuchende den Wunsch nach dem Kontakt zu ihren Familien, der teilweise schon vor vielen Jahren abgebrochen worden war.
Die Verschärfungen solcher Probleme durch Pandemie und Lockdown spiegelt sich auch in der Zahl der von iuvenes e. V. durchgeführten Einzelberatungen wieder. Nach derzeitigem Stand beraten wir nahezu wöchentlich freitags in persönlichen Erst- und Einzelgesprächen. Nicht einberechnet sind die ergänzenden Telefonberatungen.
Manchen unserer Teilnehmer*innen scheint es eine gewisse Sicherheit zu geben, die Gruppengespräche virtuell von Zuhause verfolgen zu können, andere hingegen vermissen das offenere Format des persönlichen Gruppentreffens.
In beiden Fällen stellen wir immer wieder fest, dass der Austausch mit anderen Betroffen den Leidensdruck erheblich mindern kann. Niemand muss sich lange erklären, wie es sonst im Umgang mit Mitmenschen der Fall ist. Gemeinsam verstehen zu lernen, was im eigenen Leben passiert ist, trägt dazu bei, Gefühle von Isolation ein wenig aufzulösen. Und selbstverständlich werden im Gespräch auch Lösungswege für Probleme diskutiert und erarbeitet, die Außenstehenden ganz alltäglich anmuten, für Betroffene aber oft eine große Hürde darstellen. Die Teilnehmer*innen profitieren gegenseitig von ihren Erfahrungen.
Um beiden Bedarfen, dem nach dem persönlichen wie dem virtuellen Gespräch, und der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, können wir ab Mai 2021 beide Formate anbieten. Persönlich werden wir uns unter Einhaltung der je geltenden Hygieneregeln monatlich montags an einem geeigneten Ort treffen, zugleich bieten wir weiterhin monatliche Online-Treffen an.