Ein Jahr Gesprächsgruppe „Destruktive Gruppen“

Am Freitag,14.06.19, war der letzte Termin unserer moderierten Gesprächsgruppe „Destruktive Gruppen“ vor der Sommerpause. Damit liegt das erste Jahr in der Trägerschaft von iuvenes e. V. hinter uns.

Wir haben im zurückliegenden Jahr mit zehn Frauen und Männern gesprochen, Anfragen haben uns aus ganz Deutschland erreicht. Zwei unserer Teilnehmer*innen waren in esoterischen Kleingruppen aktiv, eine Person entstammt einer nicht-religiösen Familie mit destruktiven Verhaltens- und Kommunikationsstrukturen, eine Teilnehmerin war als Jugendliche aus einer international agierenden Großgruppierung ausgestiegen, die sich ausgehend von christlichen Versatzstücken ihre Patchwork-Religion zusammengesucht hat, andere waren in unterschiedlichen christlich-fundamentalistischen Gruppierungen involviert, großen wie ganz kleinen. Auch die Rollen, die unsere Teilnehmer*innen in den Gruppierungen gespielt haben, waren sehr unterschiedlich. Sie reichen von Angehörigen, die Familienmitglieder an die destruktive Gruppe verloren haben, über Personen, die in sie hineingeboren worden waren, zu einem ehemaligen Priester und Missionar. Seine Familie war in der dritten Generation in der Gruppierung involviert. Das Ausstiegsalter ist sehr unterschiedlich. Manche entschlossen sich bereits als Teenager zum Bruch, andere sind erst als Erwachsene aus der Gruppierung ausgestiegen, eine Person erst im sehr gehobenen Erwachsenenalter. Der Bruch, der mit der Entscheidung auszusteigen einhergeht, ist tiefgreifend; Personen die sich entscheiden, die destruktive Gruppe zu verlassen, verlieren immer ihr gesamtes soziales Umfeld. Im Deutschen gibt es eine Redewendung, die sehr genau fasst, wie schmerzhaft, wie existenziell dieser Schritt ist: den sozialen Tod sterben. Menschen, die sich als Jugendliche oder Erwachsene der destruktiven Gruppe anschließen, erleben diesen Bruch zweimal. Denn mit der Entscheidung, sich ihr anzuschließen, ist nahezu immer ein immenser Zwang verbunden, implizit wie explizit, die alten sozialen Nahfelder zu verlassen. Aspiranten, die nicht schnell und radikal den eigenen Familien und Freunden den Rücken kehren, gelten als lau, unentschlossen, nicht fest genug im Glauben oder gar als potentielle Verräter. Der Ausstieg ist meist ein längerfristig angelegter Prozess, der von allen unseren Teilnehmer*innen als sehr schmerzhaft beschrieben wird. Denn die Indoktrination der destruktiven Gruppe rührt an Wahrheiten. „Wahr ist, was ich will, d. h. was ich zur Wahrheit mache, oder banal gesprochen, was ich glauben will.“ Otto Rank hat bereits 1929 Wahrheit als Gegenstück des Affekts beschrieben. Affekt „ist eine Art Abwehr des Gefühls“, eine „Rückleitung in die Willensphäre“: „Zorn, Ärger, Hass sind Bekräftigungen, Übertreibungen unseres negativen Willens“. Auch Wahrheit ist „ein Gefühl, wie ihr Gegenstück der Zweifel, von dem man das lange schon erkannte. Beide haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun, außer dass sie beide im Gegensatz zu ihr stehen: Wahrheit ist, was ich glaube, bejahe“. Die Gruppe zu verlassen, bedeutet, Wahrheiten aufzugeben und mit ihnen Sicherheit zu verlieren. Schuldgefühle, Scham, Zweifel, Isolation folgen.

Manche unserer Teilnehmer*innen leiden noch viele Jahre nach dem Verlassen der Gruppe unter den Folgen. Ihr Alltag – ihre Wirklichkeit – ist in diesen Fällen immer noch von dem Gefühl geprägt, etwas Falsches, etwas Verwerfliches oder gar etwas Böses zu tun. Wer das hinter sich lassen konnte, leidet manchmal unter anderen Schuldgefühlen, die sich dann mit der eigenen Verstrickung und Rolle in der destruktiven Gruppe beschäftigen. Andere Aussteiger*innen bleiben für die Versuchungen der destruktiven Gruppe ansprechbar, selbst wenn sie sich vehement von ihrer ursprünglichen Gemeinschaft abwenden. Wo der Alltag nach wie vor fremd erscheint, liegt es nahe, die Sicherheit alter Verhaltensmuster zu suchen – nun in neuen Gruppen.

Das Gruppengespräch hilft, die eigene Geschichte zu reflektieren. Das ist oft gerade dann der Fall, wenn Menschen aus ganz anderen Gruppen vergleichbare Erfahrungen gemacht haben. Die Perspektive der anderen erlaubt neue, nicht selten überraschende Einsichten. Meist ist es schon die Erkenntnis, mit der eigenen Geschichte nicht allein zu sein. Vorbilder dafür zu bekommen, es schaffen zu können. Hilfe und Unterstützung zu haben.

Unsere Gesprächsgruppe trifft sich monatlich in Berlin.

Die Termine für das zweite Halbjahr sind:

  • Freitag, 6. September 2019
  • Dienstag, 1. Oktober 2019
  • Freitag, 1. November 2019
  • Freitag, 6. Dezember 2019

Ort und Uhrzeit erfragen Sie bitte unter: kontakt@destruktive-gruppen.de

Die Gruppe wird moderiert von:

Gloriett Kargl. Die Pädagogin wuchs in der Vereinigungskirche (Moon-Sekte) auf. Mit 17 Jahren verließ sie diese Gemeinschaft, weil sie nicht verheiratet werden wollte.

Jan Buschbom,
Gründer und Geschäftsführer von iuvenes e. V., arbeitet seit 2001 im Arbeitsfeld destruktiver Gruppen.

destruktive-gruppen.de

Wir möchten unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern danken!
Für Eure Offenheit, für Eure Hilfsbereitschaft und für Euren Humor!

Euch allen wünschen wir einen wunderschönen Sommer.

Termine für das zweite Halbjahr 2019
  • Freitag, 6. September 2019
  • Dienstag, 1. Oktober 2019
  • Freitag, 1. November 2019
  • Freitag, 6. Dezember 2019